Unfallregulierung
Unfallregulierung
Hatten Sie einen Verkehrsunfall, den Sie nicht oder nur teilweise mitverschuldet haben, so müssen Sie sich selbst um die Durchsetzung Ihrer Schadens- und Schmerzensgeldansprüche kümmern. Dies ist nicht die Aufgabe Ihrer eigenen Versicherung.
War in den Unfall ein anderes Kraftfahrzeug verwickelt, besteht regelmäßig die Möglichkeiten, seine Ansprüche beim gegnerischen Haftpflichtversicherer anzumelden. Dieser wird versuchen, schnellstmöglich Kontakt zu Ihnen aufzunehmen. Sie müssen sich dabei jedoch darüber im Klaren sein, dass dieser nicht in Ihrem „Lager“ steht, sondern bei der Regulierung seine eigenen Interessen verfolgt. Während Sie nach Möglichkeit versuchen, vollen Schadensersatz und ggf. ein angemessenes Schmerzensgeld zu erhalten, wird der gegnerische Versicherer regelmäßig darum bemüht sein, Ihre Ansprüche so gering wie möglich zu entschädigen. Deshalb ist es in aller Regel keine gute Idee, dem Haftpflichtversicherer Ihres Unfallgegners die Regulierung zu überlassen in der Hoffnung, dieser werde schon angemessene Zahlungen erbringen. Nicht umsonst ist seit Jahren die Strategie der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer zu beobachten, dass diese nach einem Unfall so schnell wie möglich Kontakt zum Unfallgegner aufnehmen, um ihn davon zu überzeugen, dass es der Beauftragung eines eigenen Sachverständigen oder der Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht bedürfe.
Es entspricht jedoch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein Geschädigter, der unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde, regelmäßig anwaltliche Hilfe auf Kosten des Unfallverursachers in Anspruch nehmen darf. Nur dann, wenn die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werden, ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht erforderlich, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger bzw. seiner Versicherung einen Rechtsanwalt heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1994, VI ZR 3/94). Infolge der Unübersichtlichkeit der Rechtsprechung, die zwischenzeitlich zur Regulierung von Verkehrsunfällen ergangen ist, dürfte es solche einfach gelagerten Fälle jedoch kaum noch geben. Nach Auffassung des LG Kassel gehören zu den einfach gelagerten Fällen regelmäßig nur solche Konstellationen, in denen der Schädiger seine Ersatzpflicht dem Grunde und der Höhe nach bereits anerkannt hat oder an seiner Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit keine Zweifel bestehen (vgl. LG Kassel, Urteil vom 28.01.2015, 1 S 309/15).
Der Hintergrund dafür, dass der Geschädigte in aller Regel einen Rechtsanwalt auf Kosten des Schädigers einschalten darf, ist, dass die Haftpflichtversicherer Profis in ihrem Fach sind und ständig mit Unfallabwicklungen befasst sind, während der „normale“ Autofahrer in der Abwicklung unerfahren ist und sich deshalb regelmäßig - zur Vermeidung von Nachteilen - anwaltlicher Hilfe bedienen muss.
Von dieser Möglichkeit sollten Sie Gebrauch machen, um nicht später das Nachsehen zu haben. Dies gilt insbesondere auch bei Gesundheitsschäden, die Ihnen durch den Unfall entstanden sind (sog. Personenschäden). Ohne anwaltliche Hilfe werden Sie kaum selbst beurteilen können, ob das Ihnen angebotene Schmerzensgeld angemessen ist, da Ihnen die einschlägigen Schmerzensgeldtabellen zur Überprüfung nicht zur Verfügung stehen. Häufig steht im Übrigen nicht einmal das aktuell zu erzielende Schmerzensgeld im Focus der Unfallregulierung, sondern die Absicherung möglicher Dauer- und Folgeschäden. Wer hier nicht aufpasst und seine Ansprüche nicht gegen die Verjährung absichert, verliert viel Geld, wenn später eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintritt, die auf den früheren Unfall zurückzuführen ist, und der gegnerische Haftpflichtversicherer den Verjährungseinwand erhebt.
Gerade in dem Bereich der Absicherung späterer Ansprüche zeigen sich die gegensätzlichen Interessen von Geschädigtem und gegnerischem Versicherer: Während Sie ein Interesse an einer Absicherung für den Fall möglicher zukünftiger Verschlechterungen Ihres Gesundheitszustandes haben, ist dem gegnerischen Versicherer daran gelegen, Ihre Unfallakte möglichst schnell, evtl. gegen Zahlung einer - oftmals viel zu geringen - Abfindung ein für alle Mal zu schließen. Sorgen Sie hier für keine ausreichende Absicherung durch eine sog. „titelersetzende Erklärung“ oder ein Feststellungsurteil, scheitert die Geltendmachung spätere Ansprüche möglicherweise an der Verjährung bereits nach drei Jahren, gerechnet ab Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl. §§ 195, 199 BGB).
Wir unterstützen Sie bei der Durchsetzung bzw. Absicherung Ihrer Ansprüche nach einem Verkehrsunfall. Hierzu zählen insbesondere
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Ersatz des Fahrzeugschadens (Reparaturkosten oder Wiederbeschaffungsaufwand),
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Ausgleich einer technischen oder merkantilen Wertminderung,
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Übernahme der Sachverständigenkosten bzw. der Kosten für die Erstellung eines Kostenvoranschlags,
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Leistung von Nutzungsausfall oder Übernahme von Mietwagenkosten,
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Ausgleich des Kleiderschadens und des Schadens an der Schutzkleidung,
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Zahlung der Abschleppkosten und des Standgeldes,
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Anspruch auf Schmerzensgeld,
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Übernahme der Heilbehandlungskosten,
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Anspruch auf Verdienstausfall,
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Erstattung von geleisteten Zuzahlungen,
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Erstattung eines Haushaltsführungsschadens,
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Regulierung Ihrer (weiteren) vermehrten Bedürfnisse,
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Übernahme der Fahrtkosten zu Ärzten,
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Zahlung der Besuchskosten naher Angehöriger ins Krankenhaus,
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Anspruch auf entgangenen Unterhalt.
Der gegnerische Unfallversicherer wird Ihnen freiwillig kaum anbieten, etwa den Ihnen entstandenen Haushaltsführungsschaden zu ersetzen, wenn Sie keine entsprechende Forderung an ihn richten. In diesem Bereich wird geradezu totgeschwiegen, dass im Falle gravierender Verletzungen ein Anspruch auf Ersatz eines Haushaltsführungsschadens besteht, auch wenn Sie keine Ersatzkraft einstellen. Können Sie als Geschädigter eines Verkehrsunfalls nämlich unfallbedingt Ihren Haushalt dauernd oder vorübergehend nicht mehr - wie gewohnt - führen oder die Hausarbeit etwa aufgrund eines Armbruchs nur eingeschränkt verrichten, so haben Sie gegen Fahrer, Halter und gegnerische Versicherung nicht nur einen Schmerzensgeldanspruch. Die Rechtsprechung sieht in dem (teilweisen) Verlust der Fähigkeit, weiterhin Haushaltstätigkeiten wie gewohnt zu verrichten, nämlich einen ersatzfähigen Schaden des Geschädigten – und das gilt selbst dann, wenn Sie gar keine Haushaltshilfe einstellen, sondern Angehörige des Haushalts die Haushaltstätigkeiten übernehmen, die Sie vorher ausgeführt haben, nunmehr aber unfallbedingt nicht mehr vollbringen können. Zu den Haushaltstätigkeiten zählen etwa das Einkaufen, das Waschen der Wäsche, das Zubereiten von Mahlzeiten, die Reinigung der Wohnung, das Spülen und Säubern des Geschirrs, das Aufräumen der Wohnung, die Betreuung der Kinder, die Tierhaltung, die Gartenpflege,
Wie bereits dargelegt, zählen auch die Rechtsanwaltsgebühren, die bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche aus dem Unfall entstehen, in aller Regel zum ersatzfähigen Schaden. Sie sind deshalb regelmäßig vom Unfallgegner bzw. dem gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherer zu erstatten und nicht vom Geschädigten zu tragen. Sie sollten sich also nicht scheuen, unsere Hilfe direkt nach dem Unfall in Anspruch zu nehmen. Wir melden die Forderungen komplett für Sie an und kümmern uns um deren Durchsetzung.
Nicht selten behauptet der Unfallgegner oder seine Versicherung unberechtigt eine (unangemessen hohe) Mitschuld am Zustandekommen des Unfalls. Dies führt dazu, dass Ansprüche komplett oder doch in erheblichem Umfange versagt werden. Hier ist es Aufgabe des Anwaltes eine sogenannte Haftungsabwägung vorzunehmen und zu prüfen, ob der behauptete Mitverschuldenseinwand überhaupt und ggf. in welcher Höhe zutreffend ist.
Auf die Zusage des gegnerischen Haftpflichtversicherers, er werde die unfallbedingten Schäden „im Rahmen seiner Eintrittspflicht“ begleichen, sollten Sie sich nicht uneingeschränkt verlassen. Die Praxis zeigt, dass trotz Regulierungszusage berechtigte Forderungen oftmals nicht oder nicht in ausreichendem Maße beglichen werden.
Vielfach wird von Geschädigten, den eine Teilschuld oder Mithaftung am Zustandekommen des Unfalls trifft und der deshalb seine Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen hat, übersehen, ihm neben der Entschädigung des Vollkaskoversicherers noch zusätzlich Ansprüche gegen seinen Unfallgegner und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung zustehen. Die Fahrzeugvollversicherung (Vollkaskoversicherung) ersetzt nämlich den merkantilen Minderwert, den Nutzungsausfall, die Mietwagenkosten, den Verdienstausfall, die Unkostenpauschale usw. nicht. Zudem bringt sie die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung in Abzug. Die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung führt darüber hinaus zu einem Verlust des Freiheitsrabattes und damit zu höheren Versicherungsbeiträgen.
Hat der Unfallgegner die Entstehung des Unfalls auch nur geringfügig mitverursacht (ein Verschulden ist gar nicht einmal erforderlich), kann regelmäßig neben der eigenen Vollkaskoversicherung zusätzlich auch noch die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen werden. Dies führt dann dazu, dass der eigene Schaden - durch Zahlung der eigenen Vollkaskoversicherung und Leistungen der gegnerischen Haftpflichtversicherung - nahezu vollständig ausgeglichen wird. Denn etwa die Selbstbeteiligung (in der Regel 300 bis 1.000 EUR) ist im Falle der Mithaftung des Gegners unter Umständen in voller Höhe von der gegnerischen Versicherung zu ersetzen, andere Positionen teilweise anteilig. An dem Verlust des Schadensfreiheitsrabattes hat sich der Unfallgegner zu beteiligen.
Diese Ansprüche müssen allerdings erst einmal geltend gemacht werden. Wir stehen Ihnen auch hierbei gerne zur Seite.
Die Unfallregulierung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung wird in unserer Kanzlei von Rechtsanwalt Raupach bearbeitet. Rechtsanwalt Raupach ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Vertragsanwalt des ADAC.
Autokauf
Autokauf
In rechtlicher Hinsicht ist beim Autokauf in vielen Bereichen danach zu unterscheiden, ob der Käufer einen Neuwagen oder ein gebrauchtes Fahrzeug erworben hat.
Der Neuwagenkäufer will sich manches Mal vom Vertrag lösen. Hier lohnt es häufig, zunächst die Grundlagen des Vertrages zu prüfen. Verkäufer von Neuwagen benutzen üblicherweise unverändert die vom
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Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes e. V. (ZDK),
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Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA) und
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Verband der Importeure von Kraftfahrzeugen e. V. (VDIK) unverbindlich empfohlenen Neuwagenverkaufsbedingungen (NWVB).
Der Käufer unterschreibt beim Neuwagenkauf auch meist keinen Kaufvertrag, sondern gibt eine „verbindliche Bestellung“ ab. An diese Erklärung ist er für einen gewissen Zeitraum gebunden, ehe er hiervon wieder Abstand nehmen kann. Welche Bindungsdauer noch angemessen ist und wirksam vereinbart werden kann, wird in der Rechtsprechung nicht immer einheitlich beurteilt und muss im Einzelfall geprüft werden. Der eigentliche Kaufvertrag kommt erst dann zustande, wenn der Verkäufer die Bestellung schriftlich bestätigt oder er das Fahrzeug liefert.
Ist der Vertrag erst einmal wirksam zustande gekommen, besteht kein allgemeines Recht, vom Vertrag einfach wieder Abstand zu nehmen. Unter Umständen kann sich der Käufer auf ein gesetzliches Widerrufsrecht stützen, welches im Falle von Fernabsatzverträgen (§§ 312c, 355 BGB), Außer-Haus-Geschäften (§§ 312b, 355 BGB) oder bei Leasing- oder Finanzierungsgeschäften gegeben sein kann.
Ansonsten besteht ggf. die Möglichkeit, gegen Bezahlung von 15 % des Kaufpreises aus dem Vertrag entlassen zu werden. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die dem Neuwagenkauf zugrunde liegen, lassen diese Möglichkeit zu.
Häufig wird beim Kauf eines Neufahrzeugs das Altfahrzeug des Kunden in Zahlung genommen. Der Verkäufer ist in diesem Fall damit einverstanden, dass ein Teil des Kaufpreises durch den Wert des Altfahrzeugs getilgt wird. Ob es sich bei Kauf- und Inzahlungnahme um zwei unterschiedliche Verträge handelt oder um ein einheitliches Vertragswerk, ist zu prüfen, da sich daran durchaus unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen kommen, sollte das Neufahrzeug zum Beispiel bei Sachmängeln zurückgegeben werden.
Der BGH (Urteil vom 26.10.2016, VIII ZR 211/15) hat entschieden, dass der Käufer eines Neuwagens diesen auch schon bei geringfügigem Lackschaden zurückweisen kann. Ein solcher Sachmangel rechtfertige die Zurückbehaltung des Kaufpreises und Verweigerung der Abnahme des Fahrzeugs.
Zeigen sich erst nach der Übergabe Mängel am Fahrzeug, so greift die sog. Sachmängelhaftung des Bürgerlichen Gesetzbuches (Gewährleistung). Diese ist nicht mit einer vom Verkäufer oder Hersteller gegebenen eigenständigen Garantie zu verwechseln.
Mangelhaft ist ein Fahrzeug etwa dann, wenn es bei der Übergabe nicht die Beschaffenheit aufweist, die mit dem Verkäufer vereinbar war. Das heißt, dass das Fahrzeug etwa in Form, Farbe, Größe, Ausstattung und Leistungsmerkmalen der Bestellung des Käufers entsprechen muss. Auch geringfügige Abweichungen stellen einen Sachmangel dar.
Soweit eine Beschaffenheit mit dem Verkäufer nicht vereinbart ist, ist die das Neufahrzeug mangelhaft, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung nicht eignet. Dies wird beim Kauf eines neuen Autos kaum jemals der Fall sein.
Schließlich ist von einem Sachmangel dann auszugehen, wenn sich die Kaufsache - hier also das Neufahrzeug - für die gewöhnliche Verwendung nicht eignet und/oder ihr eine Beschaffenheit fehlt, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Zur Beurteilung ist auf die Erwartungshaltung eines Durchschnittsempfängers abzustellen. Maßstab der Beurteilung von Material- und Verarbeitungsqualität und Leistungswerten ist bei Neuwagen nur der Vergleich mit Fahrzeugen desselben Typs der gleichen Serie. Bei Serienfehlern hingegen, also solchen Mängeln, die die ganzen Fahrzeugserie eines Herstellers betreffen, kommt es auf den Entwicklungsstand der nach allgemeiner Zweckbestimmung und Fahrzeugklasse vergleichbaren Fahrzeuge an.
Steht fest, dass der Neuwagen einen Sachmangel aufweist, etwa weil ihm eine vereinbarte Beschaffenheit fehlt, so ist dem Verkäufer - nach Möglichkeit unter Fristsetzung - grundsätzlich zunächst die Möglichkeit der Nachbesserung einzuräumen. Hier ergibt sich ein großes Fehlerpotential des Käufers. So darf er regelmäßig den Mangel nicht einfach selbst beseitigen und die ihm entstanden Kosten auf den Verkäufer abwälzen. Denn diesen ist zunächst die Möglichkeit zu geben, sich selbst von der Mangelhaftigkeit zu überzeugen und selbst nachzuerfüllen. Außerdem ist ihm regelmäßig anzubieten, das Fahrzeug zu ihm zu verbringen.
Scheitert die Nachbesserung kommen die sog. sekundären Mängelrechte zum Tragen, namentlich Minderung (Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung), Rücktritt, Schadens- und Aufwendungsersatz). Die einzelnen Mängelrechte hängen von verschiedenen Voraussetzungen ab. Der Rücktritt etwa ist - anders als die Minderung - nur dann möglich, wenn das Auto einen erheblichen Mangel aufweist. Bagatellen rechtfertigen die Rückabwicklung vom Vertrag daher meist nicht, sofern der Mangel nicht darin liegt, dass dem Fahrzeug eine vereinbarte Beschaffenheit fehlt. Auch im Falle der Arglist kann schon ein unerheblicher Mangel für den Rücktritt genügen.
Kommt es zum wirksamen Rücktritt, ist regelmäßig eine Entschädigung für die gezogenen Gebrauchsvorteile zu zahlen. Die Nutzungsvergütung richtet sich bei einer Rückabwicklung eines Neuwagens nach der Formel:
Gebrauchsvorteile = Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer
erwartete Gesamtlaufleistung
Welche Gesamtlaufleistung zugrunde zu legen ist, hängt entscheidend von Fahrzeug, Ausstattung, Motorisierung und Kaufpreis ab. Beispiele aus der Rechtsprechung sind: Kia Sportage 1.6 GDI - 200.000 km (OLG Schleswig, Urteil vom 05.10.2017, 7 U 88/16), Audi A4 TDI - 250.000 km (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2003, 3 U 45/02), VW Touran Highline 2,0 TDI (EA 189) - 250.0000 km (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019, Az. I-18 U 16/19), VW Touran (EA 189) - 300.000 km (OLG Köln, Urteil vom 02.04.2020, 18 U 60/19).
Die Sachmängelhaftungsfrist beträgt bei Neufahrzeugen entsprechend der gesetzlichen Regelung zwei Jahre ab Ablieferung des Fahrzeugs. Eine einjährige Verjährung gilt unter den Voraussetzungen von VII 1. 2. Satz NWVB, soweit der Käufer kein Verbraucher ist. Denn beim Verbrauchsgüterkaufvertrag sind abweichende Vereinbarungen nach § 475 BGB verboten.
Beim Kauf eines gebrauchten Fahrzeugs geht es in der Regel vor allem um die Durchsetzung eventueller Gewährleistungsansprüche. Stellt er nach der Abholung fest, dass das Fahrzeug merkwürdige Geräusche von sich gibt oder Öl ausläuft, wird er versuchen, seine Ansprüche gegenüber dem Verkäufer durchzusetzen. Regelmäßig beruft sich der jedoch auf einen im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschluss und weist darauf hin, dass das Fahrzeug gekauft wie besichtigt unter Ausschluss jeder Mängelhaftung übernommen wurde.
Ob der jeweilige Gewährleistungsausschluss überhaupt wirksam vereinbart wurde und welche Reichweite er hat, ist dann vorrangig zu prüfen. Hier kommt es regelmäßig darauf an, ob mit dem Verkäufer nicht vielleicht eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde. Denn in diesem Fall kann sich der Verkäufer nicht auf den Ausschluss der Gewährleistung berufen, soweit seine Zusage galt. Oftmals ist der Nachweis eines arglistigen Verhaltens des Verkäufers die einzige Möglichkeit, den Gewährleistungsausschluss zu überwinden. Denn hat der Verkäufer über einen aufklärungsbedürftigen Punkt nicht aufgeklärt, kann er sich nicht auf den Ausschluss der Mängelrechte berufen. So besteht für den Verkäufer eines gebrauchten Kraftfahrzeuges die Verpflichtung, den potenziellen Käufer auch ungefragt auf bekannte Mängel oder frühere Unfallschäden hinzuweisen, selbst dann, wenn der Schaden bereits fachgerecht repariert wurde. Eine Ausnahme gilt nur für sogenannte Bagatellschäden, also ganz geringfügige äußere Schäden, beispielsweise im Lack (LG Coburg, Urteil vom 24.09.2020, 15 O 68/19).
Im Falle des Rücktritts errechnen sich die Gebrauchsvorteile, die der Käufer sich in Abzug bringen lassen muss, im Übrigen nach einer modifizierten Formel.
Gebrauchsvorteile = Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer
Restlaufleistung
Die gesetzliche Gewährleistungsfrist bei Gebrauchtfahrzeugen beträgt zwei Jahre. Die in den handelsüblichen Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen enthaltene Klausel über die Verkürzung der Verjährungsfrist bei Sachmängeln von zwei Jahren auf ein Jahr ist allerdings wirksam. Das hat der BGH mit Urteil vom 18.11.2020, VIII ZR 78/20, festgestellt.
Weitere Hinweise zu den Sachmängelrechten des Käufers finden sie hier.
Das Kaufrecht wird in unserer Kanzlei von Rechtsanwalt Raupach bearbeitet. Rechtsanwalt Raupach ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Vertragsanwalt des ADAC.
Verkehrsstrafrecht
Verkehrsstrafrecht
Das Verkehrsstrafrecht befasst sich mit Straftaten, die im Zusammenhang mit dem öffentlichen Straßenverkehr stehen. Wurde anlässlich eines Unfalls ein Beteiligter etwa verletzt, so wird regelmäßig ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) gegen den Unfallverursacher eingeleitet. Ziel der Verteidigung wird es sein, eine Einstellung des Strafverfahrens zu bewirken.
Aber auch Fälle des Unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB – „Fahrerflucht“), des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG), der Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB), des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b StGB), der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB), des Fahrens unter Einfluss anderer berauschender Mittel (§ 316 StGB) und der Nötigung (§ 240 StGB) spielen in der Praxis eine bedeutende Rolle.
Nicht selten droht hier im Falle der Verurteilung der Verlust des Führerscheins und der Fahrerlaubnis. Aber auch schon vor der Strafverhandlung können Staatsanwaltschaft und Gericht die Entscheidung treffen, die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung vorläufig nach § 111a StPO zu entziehen.
Um dieser Gefahr effektiv zu begegnen, empfiehlt sich eine möglichst frühzeitige Einbindung des Verteidigers. Wir beraten und vertreten Sie gern.
Der Ausgang des Strafverfahrens kann auch Auswirkungen auf den zivilrechtlichen Versicherungsschutz haben. Denn kommt es zu einer rechtskräftigen Verurteilung etwa wegen einer Verkehrsunfallflucht, so kann der eigene Kfz-Haftpflichtversicherer in Grenzen die Erstattung seiner Aufwendungen fordern, die er an den Unfallgegner zum Schadensausgleich erbracht hat.
Ordnungswidrigkeiten
Ordnungswidrigkeiten / Bußgeldangelegenheiten
Beim Ordnungswidrigkeitenrecht leitet die Behörde ein Verwarngeld- oder Bußgeldverfahren wegen (vermeintlich) begangener Verkehrsverstöße ein. Die Vorwürfe reichen von einfachen Parkverstößen über Geschwindigkeitsüberschreitungen, die Missachtung des Verbots zur Handynutzung während der Fahrt bis hin zur Abstandsunterschreitung. Verstöße gegen die Vorschriften zur Ladungssicherung, zu Lenk- und Ruhezeiten und Rotlichtverstöße prägen das Ordnungswidrigkeitenrecht in der Praxis ebenfalls maßgeblich.
Die Folgen eines Bußgeldbescheides sind neben der eigentlichen Geldbuße (einschließlich Auslagen) in der Regel der Eintrag von bis zu drei Punkten in das Fahreignungsregister (FAER, früher: Verkehrszentralregister) und ggf. sogar die Verhängung eines Fahrverbots für ein bis maximal drei Monate (§ 25 I StVG i.V.m. §§ 24, 24a StVG).
Die im Fahreignungsregister gespeicherten Eintragungen werden nach Ablauf der gesetzlich festgelegten Fristen getilgt (§ 29 StVG). Die endgültige Löschung aus dem Register erfolgt jedoch erst nach Ablauf einer zusätzlichen einjährigen „Überliegefrist“. Der Beginn der Tilgungsfrist ist einheitlich für sämtliche Eintragungen auf das Rechtskraftdatum der Entscheidung (nicht Datum der Ordnungswidrigkeit) festgelegt.
Zuwiderhandlung Tilgungsfrist Fahreignungsregister
Ordnungswidrigkeiten mit 1 Punkt: 2 Jahre und 6 Monate
mit 2 Punkten: 5 Jahre
Straftaten ohne Entziehung der Fahrerlaubnis oder ohne isolierte Sperre 5 Jahre
behördliche Verbote oder Beschränkungen ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen 5 Jahre
Fahreignungsseminar 5 Jahre
Straftaten mit Entziehung der Fahrerlaubnis oder mit isolierter Sperre 10 Jahre
Verwaltungsbehördliche Entscheidungen über die Entziehung oder Versagung
einer Fahrerlaubnis oder bei Verzicht auf die Fahrerlaubnis 10 Jahre
Je nach Punktestand drohen unterschiedliche Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde:
Punktestand Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde
4 bis 5 Ermahnung (mit Hinweis auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einem Fahreignungsseminar)
6 bis 7 Verwarnung (mit Hinweis auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einem Fahreignungsseminar)
8 und mehr Entziehung der Fahrerlaubnis
Ein Punkteabbau ist möglich: Für die freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar wird ein Punkt abgezogen, sofern nicht mehr als fünf Punkte für den Betroffenen im Fahreignungsregister eingetragen sind. Für die Gewährung des Punktabzuges ist der erreichte Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung maßgeblich. Der Punktabzug ist nur einmal innerhalb von fünf Jahren zulässig.
Aufgabe des Rechtsanwaltes ist es, den Vorwurf der Bußgeldstelle zu prüfen und nach Möglichkeit zu entkräften. Die Kontrolle erstreckt sich dabei z.B. auf die Prüfung der Verjährung, des Messfotos, der korrekten Einrichtung der Messstelle, der Eichung des Messgerätes, der korrekten Durchführung der Messung (Fehlerquellen u.a.: Reflexionen, fehlerhafter Messwinkel, Doppelmessungen, fehlerhafte Geräteeinstellung, unterlassener Funktionstest), der Videoaufzeichnung und der zutreffenden Berücksichtigung von Toleranzen.
Das Bußgeldrecht / Ordnungswidrigkeitenrecht wird in unserer Kanzlei von Rechtsanwalt Raupach bearbeitet. Rechtsanwalt Raupach ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Vertragsanwalt des ADAC.
Verkehrsverwaltungsrecht
Verkehrsverwaltungsrecht
Das Verkehrsverwaltungsrecht bildet - neben dem Verkehrszivilrecht (Unfallregulierung etc.), dem Verkehrsstrafrecht (Unfallflucht, Trunkenheit im Verkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis etc.) und dem Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht (Geschwindigkeits - und Rotlichtverstöße etc.) - ein weiteres Teilgebiet des allgemeinen Verkehrsrechts.
Hier geht es um die Erteilung und Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen, über das Abschleppen durch die Polizei wegen Falschparkens bis zur Überprüfung der Fahreignung mittels einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU, umgangssprachlich bekannt als „Idiotentest“). Weiter unterfallen diesem Teilgebiet des Verkehrsverwaltungsrecht die Fragen danach, unter welchen Voraussetzungen eine Fahrtenbuchauflage zulässig ist und welche Maßnahmen bei Verstößen während der Probezeit zulässig sind.
Ärger mit der Werkstatt
Ärger mit der Werkstatt
Beauftragen Sie die Werkstatt mit der Reparatur Ihres Fahrzeugs, so kommt ein Werkvertrag zustande. Die gesetzlichen Rechte und Pflichten des Kunden und der Werkstatt ergeben sich dann aus den §§ 631 ff. BGB. Abweichende oder ergänzende Regelungen können sich aus den „Kfz-Reparaturbedingungen“ ergeben, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Werkstatt. Voraussetzung für deren Geltung ist aber immer, dass sie wirksam in den Vertrag mit der Werkstatt einbezogen wurden. Der Gesetzgeber verlangt, dass der Verwender den Kunden ,,ausdrücklich“ auf die AGB hinweist. Die Einbeziehung kann entweder durch ausdrückliche (mündliche oder schriftliche) Vereinbarung geschehen oder in der Form, dass sie Ihnen bei Abschluss des Vertrages in Papierform ausgehändigt werden.
Der „Ärger“ mit der Werkstatt kann bereits bei Einholung eines Kostenvoranschlags beginnen, wenn Sie plötzlich für dessen Erstellung zahlen sollen, ohne dass zuvor darüber gesprochen wurde. Ein Kostenvoranschlag („Kostenanschlag“) ist im Zweifel nicht zu vergüten, also kostenlos (§ 632 III BGB). Dies heißt nichts anderes, als dass Sie als Kunde der Werkstatt für den Kostenvoranschlag nur etwas bezahlen müssen, wenn Sie mit der Werkstatt ausdrücklich eine Vergütung vereinbart haben. Ob hierzu ein Hinweis in den AGB der Werkstatt genügt, ist zweifelhaft.
Haben Sie sich zunächst einen Kostenvoranschlag geben lassen und im Anschluss den Werkstattauftrag erteilt, gehen Sie vermutlich davon aus, dass der Betrag aus dem Kostenvoranschlag in etwa dem entsprechen wird, was Ihnen später in der Werkstattrechnung berechnet wird. Weichen aber die Kostenschätzung und die tatsächlichen Reparaturkosten voneinander ab, werden Sie sich fragen, ob Sie bei erheblicher Überschreitung den vollen Rechnungsbetrag begleichen müssen.
Zunächst einmal sieht § 649 II BGB vor, dass der Unternehmer dem Besteller (dem Kunden) unverzüglich Anzeige machen muss, wenn eine wesentliche Überschreitung des Kostenvoranschlags zu erwarten ist. Sie haben dann die Möglichkeit, den Werkvertrag zu kündigen. In diesem Falle steht der Werkstatt nur eine teilweise Vergütung zu. Machen Sie als Kunde von Ihrem Kündigungsrecht Gebrauch, müssen Sie nur die bis zur Kündigung geleisteten Arbeiten bezahlen (§§ 649 I, 645 I BGB). Als grobe Orientierung ist je nach Lage des Einzelfalls eine wesentliche Überschreitung bei 15% bis 20% angenommen worden.
Häufig wird der Kunde aber erst von der Überschreitung der Kostenschätzung erfahren, wenn die Reparatur bereits ausgeführt wurde und die Kosten bereits angefallen sind, ohne dass er zuvor informiert worden wäre. Im Falle der nicht rechtzeitigen Anzeige der Überschreitung des Kostenvoranschlags ist er so zu stellen, als hätte er rechtzeitig gekündigt.
Was das genau bedeutet, ist durchaus umstritten. Zum wird angenommen, der Kunde müsse die Lohnkosten nicht bezahlen und bezüglich der Materialkosten sei darauf abzustellen, inwieweit die durchgeführten Arbeiten sich für ihn als nützlich erweisen und in seinem Interesse lagen.
Nach einer anderen Ansicht gilt, dass der Werkstattkunde bei nicht mehr zu beseitigenden Arbeiten den objektiven Verkehrswert des Werkes (der Reparatur) erstatten müsse. Dies dürfte normalerweise unter der üblichen Vergütung und sollte nicht über der Wesentlichkeitsgrenze (15 % – 20 % Mehrkosten) liegen.
Hat die Werkstatt schuldhaft den Kostenvoranschlag fehlerhaft erstellt oder ihre Anzeigepflicht verletzt, kann der Kunde Schadenersatz verlangen. Der Schadenersatzanspruch ist mit der Werklohnforderung aufrechenbar.
Weitere Probleme, die sich rund um den Werkstattauftrag des Öfteren ergeben, sind insbesondere
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die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflicht der Werkstatt gegenüber ihrem Kunden,
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die Durchführung nicht in Auftrag gegebener Arbeiten,
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die Durchführung unnötiger Arbeiten bzw. die erfolglose oder langwierige Fehlersuche,
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die nicht fachgerecht durchgeführten Reparaturarbeiten,
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die Beschädigung des Fahrzeugs während der Reparatur oder die Entwendung des Pkw vom Werkstattgelände,
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die nicht hinreichend genaue Aufschlüsselung der durchgeführten Arbeiten in der Werkstattrechnung,
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die Verweigerung der Herausgabe des Fahrzeugs durch die Werkstatt,
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die überlange Reparaturdauer.
Die rechtlichen Probleme rund um die Werkstattreparatur werden in unserer Kanzlei von Rechtsanwalt Raupach bearbeitet. Rechtsanwalt Raupach ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Vertragsanwalt des ADAC.
Reiserecht
Reiserecht
Zum 01. Juli 2018 hat sich wegen der Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie das Pauschalreiserecht geändert. Durch einen Pauschalreisevertrag wird der Unternehmer (Reiseveranstalter) verpflichtet, dem Reisenden eine Pauschalreise zu verschaffen (vgl. § 651a I BGB). Eine Pauschalreise ist nach der Definition des Gesetzes eine Gesamtheit von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise. Zu den Reiseleistungen zählen in der Regel die Anreise sowie die Übernachtung/Verpflegung sowie weitere touristische Angebote wie Besichtigungstouren, Ausflüge und Sportprogramme.
Eine Pauschalreise liegt auch dann vor, wenn die von dem Vertrag umfassten Reiseleistungen auf Wunsch des Reisenden oder entsprechend seiner Auswahl zusammengestellt wurden oder der Reiseveranstalter dem Reisenden in dem Vertrag das Recht einräumt, die Auswahl der Reiseleistungen aus seinem Angebot nach Vertragsschluss zu treffen. Die Reiseleistungen werden vom Reiseveranstalter quasi zu einem einheitlichen Gesamtpreis als „Komplettpaket“ angeboten.
Diese Pauschalreise ist abzugrenzen von der Individualreise. Anders als bei der Pauschalreise schließt der Reisende bei der Individualreise in eigener Regie direkt Beförderungs- und Beherbergungsverträge mit Hotels und Verkehrsunternehmen ab (z.B. einzelne Flugbuchungen oder die gesonderte Anmietung eines Hotelzimmers am Reisezielort).
Die Unterscheidung zwischen Individualreise und Pauschalreise ist vor allem in Hinblick auf die anzuwendenden Vorschriften und den Anspruchsgegner von Bedeutung. Während bei einer Pauschalreise die Vorschriften §§ 651a ff. BGB anwendbar sind und der Reisende sämtliche Ansprüche gegen den Reiseveranstalter richten muss, muss er sie bei einer Individualreise direkt gegenüber seinem jeweiligen Vertragspartner geltend machen (also z.B. gegen Fluggesellschaft und Hotelbetreiber).
Das Reisebüro kann zwar selbst Veranstalter einer Pauschalreise sein, tritt jedoch meistens lediglich als Vermittler auf. Vermittelt es lediglich die Reise zwischen einem Kunden und einem Reiseveranstalter, so haftet das Reisebüro nur für Pflichtverletzungen aus dem Vermittlungsvertrag, also z. B. wenn irrtümlich der falsche Flug gebucht wurde. In diesem Fall sind Rechtsansprüche wegen Reisemängeln nicht gegen das Reisebüro zu richten, sondern direkt gegen den Veranstalter.
In Pandemiezeiten ist bei Pauschalreisen die Vorschrift des § 651h BGB in den Focus gerückt, weil Pauschalreisen nicht wie geplant durchgeführt werden konnten und deshalb abgesagt werden mussten. § 651h I BGB erlaubt es dem Reisenden, vor Reisebeginn jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Tritt er vom Vertrag zurück, verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Der Reiseveranstalter kann jedoch gemäß § 651h I 3 BGB eine angemessene Entschädigung verlangen. Und genau um diese Entschädigung wurde und wird gestritten.
Denn abweichend von § 651h I 3 BGB kann der Reiseveranstalter (ausnahmsweise) keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Indiz für das Vorliegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände sind die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes für das Reisegebiet. Aber sind sie auch zwingend erforderlich, um der Kürzung des Anspruchs auf Rückerstattung des vollen Reisepreises entgegentreten zu können?
Als eines der ersten deutschen Gerichte musste sich das AG Frankfurt mit der Frage auseinandersetzen, ob und unter welchen Voraussetzungen pandemiebedingt der grundsätzliche Anspruch des Reiseveranstalters auf die angemessene Entschädigung aus § 651 I 3 BGB entfällt. Wer wegen der Coronapandemie eine gebuchte Reise vor Reisebeginn storniert hat, kann nach Ansicht des Gerichts einen Anspruch auf Rückerstattung des kompletten Reisepreises auch dann haben, wenn es noch keine Reisewarnungen für das Reiseziel gab (vgl. AG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.08.2020, 32 C 2136/20 (18)). Ausreichend sei, dass bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Coronavirus im Reisegebiet bestand.
Im Pauschalreiserecht stehen oft Ansprüche wegen Reisemängel im Vordergrund. Die Pauschalreise ist nah § 651i II BGB nur dann frei von Reisemängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Pauschalreise frei von Reisemängeln, wenn sie sich für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen eignet, ansonsten wenn sie sich für den gewöhnlichen Nutzen eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Pauschalreisen der gleichen Art üblich ist und die der Reisende nach der Art der Pauschalreise erwarten kann. Ein Reisemangel liegt auch vor, wenn der Reiseveranstalter Reiseleistungen nicht oder mit unangemessener Verspätung verschafft.
Kurzum: Ein Reisemangel ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Reiseleistungen des Veranstalters von den Vereinbarungen im Reisevertrag abweichen, wozu auch die Prospektbeschreibung, die Reisebestätigung, die verbindliche Zusatzvereinbarungen und die Informationspflichten des Reiseveranstalters zählen.
Nicht unter den Begriff des Reisemangels fallen aber immer bloße Unannehmlichkeiten, die im Rahmen des Massentourismus hinzunehmen sind (Borddurchsagen in verschiedenen Sprachen, AG Bremen, 13.12.2017, NJW-RR 2018, 310; übliche Gebrauchs- und Abnutzungserscheinungen einer Hotelanlage, AG Hamburg, RRA 2003, 226). Ebenfalls nicht als Reisemangel zu werten sind Störungen, die dem allgemeinen Lebensrisiko des Reisenden zuzurechnen sind, z. B. ein allgemeines privates Unfallrisiko oder eine allgemeine Überfallgefahr.
Der Reise muss eine Herabsetzung des Reisepreises (Minderung), die er in Folge eines Reisemangels geltend machen will, direkt beim Reiseveranstalter anmelden.
Zunächst muss der Reisemangel jedoch vor Ort angezeigt und dort Abhilfe verlangt werden. Dabei ist es möglich, die die Mängelanzeige vor Ort gegenüber dem Reiseveranstalter, dem örtlichen Reiseleiter oder dem Reisevermittler vorzunehmen.
Ansprüche wegen Reisemängeln verjährt nach zwei Jahren, ohne dass es dem Reiseveranstalter möglich ist, die Gewährleistungszeit zu verkürzen.
Beabsichtigen Sie, den Reiseveranstalter in die Verantwortung zu nehmen und Ansprüche geltend zu machen, so vergessen Sie nicht, für ausreichend Beweise zu sorgen. Hilfreich sind Fotos, die die Reisemängel zeigen, Namen und Anschrift von Zeugen und ein von Reiseleiter und Ihnen als Reisender gemeinsam unterzeichnetes Mängelprotokoll.
Zusätzlich zur Minderung können Sie gemäß 651n II BGB eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangen, wenn die Reise durch den aufgetretenen Reisemangel entweder vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird. Voraussetzung ist auch für diesen Anspruch ein Reisemangel, zudem eine Vereitelung oder erhebliche Beeinträchtigung der Reise, nutzlos aufgewendete Urlaubstage und schließlich ein nachweisbares Verschulden des Veranstalters.
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Bei Vereitelung einer Reise ist von einer so schwerwiegenden Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten Leistungserfolges auszugehen, dass eine Entschädigung dafür geboten ist, dass der Kunde seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte wie vom Veranstalter geschuldet. Weiterarbeit oder Ersatzurlaub beeinträchtigen den Entschädigungsanspruch nicht, ein zuhause verbrachter Urlaub stellt keinen Schadensminderungsposten dar, da die Freizeit nicht Gegenstand der vom Reiseveranstalter geschuldeten Leistung ist (BGH, Urteil vom 11.01.2005, BGHZ 161, 389-400).
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Eine erhebliche Beeinträchtigung ist nur dann anzunehmen, wenn die Reise durch Mängel um mindestens 50 % entwertet ist oder der Reisezweck ernsthaft in Frage gestellt ist.
Nach neuerer BGH-Rechtsprechung ist eine Entschädigung auch bei Mängeln möglich, die insgesamt eine Minderungsquote von 50% nicht übersteigen: Eine Vereitelung oder erhebliche Beeinträchtigung der Reise hängt nicht von einem bestimmten Mindestprozentsatz zum Gesamtreisepreis ab. Entscheidend ist eine weitgehende Entwertung zumindest eines Teils der Urlaubszeit durch die die Reise insgesamt erheblich beeinträchtigt wird, z.B. bei Vorliegen von schwerwiegenden hygienischen Mängeln bei drei von zehn Urlaubstagen (BGH, 21.11.2017, DAR 2018, 261).
Eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit erfolgt jedoch konkret nur für die Reisetage, die von der jeweiligen „Störung“ betroffen waren. Für störungsfreie Urlaubstage kann keine Entschädigung gefordert werden.
Zum Reiserecht gehören auch die Probleme rund um ausgefallene Flüge oder Flugverspätungen, die auch außerhalb des Pauschalreiserechts vorkommen können. Wird ein Flug kurzfristig abgesagt, können Fluggäste seit dem 17. Februar 2005 nach der „EU-Verordnung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung, der Annullierung oder großen Verspätung von Flügen (EG Nr. 261/2004)“ Ausgleichszahlungen von der Fluggesellschaft verlangen. Das gleiche gilt für den Fall, dass ein Gast wegen Überbuchung nicht befördert werden kann.
Der EuGH hat wiederholt entschieden (u.a. Urteil vom 26.02.2013 – C 11/11, NJW 2013, 1291) und ihm folgend der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18.02.2010, Xa ZR 106/06, DAR 2010, 266, dass bei großer Ankunftsverspätung gem. Art. 6 I der EG-Verordnung der Passagier wie bei der Annullierung des Fluges einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der EG-Verordnung hat, wenn er sein Endziel nicht früher als 3 Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht und die Verspätung auch nicht auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist.
Der Fluggast hat in diesen Fällen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von
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250 Euro bei Flügen von 1.500 km oder weniger,
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400 Euro bei Flügen innerhalb der EU und anderen Flügen über eine Entfernung von weniger als 3.500 km,
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600 Euro bei Flügen außerhalb der EU und über eine Entfernung von mindestens 3.500 km.
Bei einer Umsteigeverbindung berechnet sich die Flugstrecke nach der direkten Luftlinie und nicht durch Addition der Teilstrecken (EuGH, 07.09.2017 – C-559/16, EuZW 2017,813).
Der Anspruch wegen Flugannullierung entfällt, wenn der Fluggast mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Ankunftszeit über die Annullierung unterrichtet wurde, wobei die Fluggesellschaft die Beweislast dafür trägt, dass der Fluggast rechtzeitig darüber informiert wurde. (EuGH, 11.05.2017 – C 302/16, RRa 2017,172)
Die Fluggesellschaft haftet nicht, wenn außergewöhnliche Umstände die Flugstörung verursacht haben, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Hier bestehen oftmals unterschiedliche Auffassungen zwischen Fluggesellschaft und Reisendem darüber, ob technische Mängel, Streik und sonstige Widrigkeiten den Anspruch entfallen lassen.
Das Reiserecht wird in unserer Kanzlei von Rechtsanwalt Raupach bearbeitet. Rechtsanwalt Raupach ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Vertragsanwalt des ADAC.
Drogenfahrt
Folgen einer Fahrt unter Einfluss berauschender Mittel
I. Ordnungswidrigkeitenrecht: Verhängung eines Bußgeldes, ggf. Fahrverbot
Nach § 24a II StVG handelt ordnungswidrig, wer zumindest fahrlässig gegen das Verbot zum Führen eines Kfz im Straßenverkehr unter der Wirkung der in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten berauschenden Mittel verstößt. Folge daraus ist zumindest die Verhängung eines Bußgeldes. Dabei ist unabhängig davon, ob sich irgendwelche Auffälligkeiten bei der Fahrweise feststellen lassen, die auf einen Drogenkonsum schließen lassen, der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 24a StVG erfüllt, wenn sich nur bestimmte Mindestmengen nachweisen lassen.
Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG eine Geldbuße festgesetzt, so ist gemäß § 25 I 2 StVG in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen.
Anders als bei Alkohol ist der Grenzwert der ordnungswidrigen Drogenfahrt nicht festgelegt, er ergibt sich insbesondere nicht aus § 24a StVG oder der Anlage zu dieser Vorschrift. Die Praxis orientiert sich grundsätzlich an den Vorgaben der Grenzwertkommission. Diese empfiehlt derzeit zur Feststellung der Ordnungswidrigkeit analytische Grenzwerte wie folgt (Quelle: ADAC):
Ausführungen der Grenzwertkommission im September 2015 eröffneten eine Diskussion zu der Annahme eines neuen Grenzwertes bei Cannabis - Tetrahydrocannabinol (THC) von 3 ng/ml. Einen neuen Grenzwert bezüglich der Wirkung gibt es allerdings bis heute nicht. Die Empfehlung der Grenzwertkommission beinhaltet aus Sicht der Rechtsprechung nicht die wissenschaftliche Behauptung, dass verkehrssicherheitsrelevante Fähigkeiten unterhalb eines THC-Wertes von 3,0 ng/ml im Blutserum nicht beeinträchtigt sein können. An dem analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml wird festgehalten. Der höhere THC-Wert ist für die Frage des Trennungsvermögens bei gelegentlichem Cannabiskonsum im Hinblick auf die Fahreignung interessant (Quelle: ADAC).
Autofahrer begehen nach dem oben Dargelegten also regelmäßig etwa eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie mehr als 1 ng/ml Cannabis, 10 ng/ml Cocain oder 25 ng/ml Amphetamin im Blutserum aufweisen. Auch unterhalb dieser Grenzwerte können Ordnungswidrigkeiten und Straftaten begangen sein, wenn Ausfallerscheinungen auftreten.
Erst ab Erreichen des analytischen Grenzwertes erfolgt grundsätzlich die Ahndung. Unterhalb des Grenzwertes erfolgt üblicher Weise keine Sanktionierung. Teilweise wird allerdings angenommen, dass im Einzelfall auch schon unterhalb des Grenzwertes - etwa bei Cannabis unterhalb von 1 ng/ml THC - eine Drogenfahrt als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, soweit weitere Umstände hinzutreten, die eine Drogenwirkung erkennen lassen (etwa OLG Bamberg, Beschluss vom 11.12.2018 (Az: 3 Ss OWi 1526/18)).
Wie dargelegt handelt nach § 24a II 1 StVG ordnungswidrig, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Dies gilt jedoch nach § 24a II 3 StVG nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt. Bei bestimmungsmäßiger Einnahme von Cannabis fährt ein Cannabispatient also nicht unter Rausch. Vielmehr ist er durch den Einsatz des ärztlich verordneten Medikaments vielfach überhaupt erst in der Lage, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. § 24a II 3 StVG regelt die Einnahme als verschriebenes Arzneimittel. Es liegt daher kein Verstoß nach § 24a II StVG vor, wenn Cannabis aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines verschriebenen Arzneimittels für den konkreten Krankheitsfall herrührt.
Die nicht bestimmungsgemäße Einnahme (z.B. Mehrkonsum) erfüllt den Tatbestand der Drogenfahrt, wenn „unter der Wirkung“ von Cannabis ein Kfz im Straßenverkehr geführt wird.
II. Strafrechtliche Folgen (Straftat nach § 316 oder § 315c StGB; Nebenfolge nach §§ 69, 69a StGB): Geld-/Freiheitsstrafe, Entziehung der Fahrerlaubnis, Sperre für die Widererteilung der Fahrerlaubnis und Punkteeintrag
Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e StGB) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird gemäß § 316 I StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c StGB mit Strafe bedroht ist. Bestraft wird auch, wer die Tat fahrlässig begeht.
Zu den „anderen berauschenden Mitteln“ i.S.d. § 316 I StGB gehören illegale Drogen und rauschmittelhaltige Medikamente. Bei § 316 StGB handelt es sich um ein sog. abstraktes Gefährdungsdelikt. Auf eine konkrete Gefährdung anderer Personen oder Sachen kommt es mithin nicht an. Es setzt drogenbedingte Ausfallerscheinungen voraus, die auf die Fahrtauglichkeit von Einfluss gewesen sind.
Einen festen Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit (wie beim Alkohol) gibt es bei Drogen nicht. Die analytischen Grenzwerte der Grenzwertkommission enthalten keine Aussage über die Dosis-Wirkung-Beziehung; vielmehr müssen für die Strafbarkeit konkrete drogenbedingte Fahrfehler oder sonstige Ausfallerscheinungen nachgewiesen werden, die auf die Fahrtauglichkeit von Einfluss gewesen sind. Eine wissenschaftliche Untergrenze zur Verneinung der Fahrunsicherheit gibt es ebenfalls nicht.
Kommt zum Drogenkonsum eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs hinzu, droht wegen § 315c StGB die Verhängung einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahre in Betracht, während bei einer „einfachen“ Fahrt unter Drogeneinfluss ohne Gefährdung das Gesetz (§ 316 StGB) eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsieht.
Beide Straftatbestände - § 316 StGB und § 315c StGB - führen im Falle ihrer Verwirklichung in der Regel zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 II Nr. 1, 2 StGB. Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es gemäß § 69a I StGB zugleich, dass für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis kann sogar für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter überhaupt keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.
Für die Taten werden Punkte im Fahreignungsregister eingetragen. Für die Straftat ohne Entziehung werden 2 Punkte in das Fahreignungsregister eingetragen, erfolgt wegen der Straftat auch die Entziehung der Fahrerlaubnis, so werden sogar 3 Punkte eingetragen. Die 2 Punkte haben eine Tilgungsfrist von 5 Jahren, die 3 Punkte eine Tilgungsfrist von 10 Jahren.
Neben der dargestellten Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch (StGB) kommt noch eine Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Betracht.
III. Verwaltungsrechtliche Folgen (Fahreignungsrecht): Entzug der Fahrerlaubnis
1. Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen als entscheidungserhebliches Merkmal
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 I 1 StVG i.V.m. § 46 I 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis unter anderem dann zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das Verwaltungsrecht knüpft demnach an die Ungeeignetheit zum Führen eines Kfz an. Ungeeignetheit ist anzunehmen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Dabei verstehen sich die Ausführungen in Anlage 4 als für den Regelfall geltend (Anlage 4 Vorbemerkung 3).
Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) Anlage 4 (zu den §§ 11, 13 und 14) Eignung und bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen (auszugsweise)
2. Einnahme von Betäubungsmitteln
a) Einnahme harter Drogen (mit Ausnahme von Cannabis), Anlage 4 zur FeV, Nr. 9.1
Bei harten Drogen reicht allein der festgestellte Konsum, unabhängig von einer konkreten Fahrt. Schon die bloße Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) stellt nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung einen Regelfall für die Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers dar. Die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis setzt bei Vorliegen einer Drogenabhängigkeit bzw. eines Drogenmissbrauchs ein positives Gutachten einer medizinisch-psychologischen-Untersuchung (MPU) mit Abstinenznachweis (nach positiver Entgiftung bei Abhängigkeit) voraus.
b) Einnahme von Cannabis, Anlage 4 zur FeV, Nr. 9.2
Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV spricht von der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes „(ausgenommen Cannabis)“. Für Cannabis gelten also spezielle Regelungen. Bei der Einnahme von Cannabis prüft die Behörde in Hinblick Anlage 4 zur FeV, Nr. 9.2 - anders als bei den anderen Betäubungsmitteln - im Einzelfall das Konsumverhalten, nämlich, ob ein regelmäßiger oder „nur“ ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliegt:
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Regelmäßiger Cannabiskonsum (Anlage 4 zur FeV, Nr. 9.2.1):
Nach Anlage 4 Ziffer 9.2.1. fehlt die Eignung bei der „regelmäßigen Einnahme von Cannabis“. Die regelmäßige Einnahme von Cannabis begründet also die Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers. Der regelmäßige Konsum (Anlage 4 zur FeV, Nr. 9.2.1) setzt einen täglichen oder fast täglichen Konsum voraus. Zum Teil wird auch der THC-COOH-Wert herangezogen und ab 150 ng/ml von regelmäßigem Konsum ausgegangen. Im Falle einer nicht-spontanen Probe soll schon ein Wert von 75 ng/ml hinreichen (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur Verkehrstüchtigkeit unter Einfluss von Cannabis Grenzwerte und Messverfahren in Deutschland und den Niederlanden, WD 7 - 3000 - 040/19, m.w.N.).
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Gelegentlicher Cannabiskonsum (Anlage 4 zur FeV, Nr. 9.2.2):
Als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist sich nach § 46 I 2 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 und Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV insbesondere, wer gelegentlich Cannabis einnimmt und Konsum und Fahren nicht trennt. Kann also ein Fahrerlaubnisinhaber zwischen dem gelegentlichen Konsum von Cannabis und der Verkehrsteilnahme nicht genügend trennen (Trennungsvermögen), so ist der Betreffende zum Führen von Kfz im öffentlichen Straßenverkehr ungeeignet, und die Fahrerlaubnis muss ihm wegen Ungeeignetheit entzogen werden.
Trotz gelegentlicher Einnahme von Cannabis kann - anders als bei den sonstigen Betäubungsmitteln - umgekehrt eine Fahreignung bestehen, wenn eine Trennung von Konsum und Fahren erfolgt und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen festgestellt wird, sofern keine Störung der Persönlichkeit sowie kein Kontrollverlust in Betracht kommen. Ein gelegentlicher Cannabiskonsum wird angenommen, wenn die Droge mehrmals, aber deutlich weniger als täglich konsumiert wird. Mindestvoraussetzung sind zwei selbständige Konsumvorgänge. Für den gelegentlichen Cannabiskonsum genügt es, wenn zweimal unabhängig voneinander Cannabis eingenommen wurde. Gelegentlicher Konsum scheidet außer beim einmaligen Konsum nur aus, wenn frühere Konsumakte derart weit zurück liegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann (die Dauer des zugrundezulegenden Zeitraums soll einzelfallabhängig sein).
Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falls, dass eine Person nach einem einmaligen Konsum zum einen bereits kurz darauf ein Kraftfahrzeug führt und zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät und die Polizei einen Drogentest veranlasst, ist in einem Akt der Beweiswürdigung regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (vgl. VGH München, Urteil vom 10. April 2018 - 11 BV 18.259 = SVR 2018, 233; ähnlich OVG Münster, Urteil vom 15. März 2017 - 16 A 432/16 = BeckRS 2017, 108279).
In der Praxis lässt sich ein regelmäßiger oder gelegentlicher Konsum auf zweierlei Arten feststellen (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur Verkehrstüchtigkeit unter Einfluss von Cannabis Grenzwerte und Messverfahren in Deutschland und den Niederlanden, WD 7 - 3000 - 040/19, m.w.N.):
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Zum einen können konkrete Konsumvorgänge festgestellt werden, wie dies auch für §§ 316 StGB, 24a StVG der Fall ist.
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Zum anderen kann unter verwaltungsrechtlicher Sicht in Hinblick auf die Entziehung der Fahrerlaubnis auch untersucht werden, ob die Menge an Abbauprodukten im Blut einen Schluss auf mehrere solcher Konsumvorgänge beweist, ohne dass diese genau zugeordnet und erfasst werden brauchen. Hierfür ist die Feststellung des THC-COOH-Gehalts ein wichtiger Marker. Allerdings kann dieser Wert nicht belastbar zur Feststellung der gegenwärtigen Intoxikation herangezogen werden. Für die §§ 316 StGB, 24a StVG kommt eine Heranziehung daher nicht in Betracht.
Die Klärung des sogenannten fehlenden Trennungsvermögens erfolgt auch bei der Erstfahrt ab dem analytischen THC-Grenzwert von mindestens 1,0 ng/ml im Blutserum. Ob bei gelegentlichem Cannabiskonsum und erstmaligem Verkehrsverstoß unmittelbar die Fahrerlaubnis zu entziehen ist (so etwa OVG Münster, Urt. v. 15.03.2017, Az. 16 A 432/16; OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.04.2017, Az. 12 ME 49/17) oder erst die MPU-Anordnung zu erfolgen hat (so etwa VGH München, Urteil vom 25.04.2017 (Az. 11 BV 17.33) war bis zur Klärung durch das BVerwG (DAR 2019, 637) umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die generelle sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 11 VII FeV bei einem erstmalig im Straßenverkehr auffällig gewordenen gelegentlichen Cannabiskonsumenten ohne vorherige Anordnung einer medizinisch-psychologischen-Untersuchung (MPU) unzulässig ist
Aufgrund dessen darf die Fahrerlaubnisbehörde bei erstmaliger Fahrt unter Cannabiseinfluss nicht ohne weitere Aufklärung von der Nichteignung des Fahrzeugführers ausgehen und unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen. In solchen Fällen hat sie gemäß § 46 III i.V.m. § 14 I 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln zu entscheiden. Es bedarf der Prognose, ob der Betroffene auch künftig nicht das entsprechende Trennungsvermögen besitzt. Um hierfür eine ausreichend abgesicherte Beurteilungsgrundlage zu haben, ist i.d.R. ein MPU-Gutachten einzuholen.
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Einmaliger Cannabiskonsum losgelöst von einer konkreten Fahrt
Der einmalige Cannabiskonsum losgelöst von einer konkreten Fahrt ist unter dem Aspekt der Fahreignung im Übrigen unbeachtlich.
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Mischkonsum (Anlage 4 zur FeV, Nr. 9.2.2):
Der sog. Mischkonsum, das heißt gelegentlicher Cannabiskonsum und zusätzlicher Alkoholkonsum, führt im Regelfall (Anlage 4 zur FeV, Nr. 9.2.2) zur Nichteignung des Konsumenten. Insoweit ist kein zeitlich gleichzeitiger Konsum erforderlich, allerdings muss eine gegenseitige Beeinflussung möglich sein. Hier reicht die entfernteste Möglichkeit der Beeinflussung (BVerwG, Urteil vom 14.11.2013, Az. 3 C 32/14, NJW 2014, 1318).
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Cannabis als Medikament
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften (BGBl I, 403 f.) zum 10.03.2017 ist Cannabis ein verschreibungsfähiges Medikament geworden; bis dahin war dafür eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 II des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) notwendig. Ob bei bestimmungsgemäßer Einnahme von Cannabis als Medikament eine fehlende Fahreignung vorliegt, muss von Einzelfall zu Einzelfall geprüft werden.
3. Missbräuchliche Einnahme von Betäubungsmitteln und die Abhängigkeit von diesen
Wie dargestellt, begründet schon die bloße Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung einen Regelfall für die Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers. Bei einer missbräuchlichen Einnahme von Betäubungsmitteln oder bei Abhängigkeit von Betäubungsmitteln ist ausnahmslos – also auch bei Cannabis – von einer fehlenden Eignung auszugehen.
IV. Versicherungsrechtliche Folgen: Regress und Leistungsfreiheit
Kommt es zu einem Unfall, bei dem der Fahrzeugführer unter Drogeneinfluss stand, ist die Kfz-Haftpflichtversicherung zunächst verpflichtet, den Fremdschaden auszugleichen. Im Einzelfall ist ein Regress der zunächst eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung von bis zu 5.000,00 Euro möglich.
In der Kaskoversicherung wird die Versicherung je nach Grad der Fahrlässigkeit leistungsfrei, muss also nicht für den eigenen Schaden am Fahrzeug aufkommen. Das gilt auch dann, wenn der Versicherer auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichtet hat, da der Verzicht meist nicht gilt, sofern Drogen den Schadensfall herbeigeführt haben. Ein Patient, der sich an die ärztliche Medikation hält, handelt hingegen nicht grob fahrlässig. Die Kaskoversicherung wird daher nicht wegen der Medikamenteneinnahme leistungsfrei.